17
Jan
2007

10. Einheit vom 11. Jänner 2007

Der Irak zwischen Staatszerfall und nationbuilding von Thomas Schmiedinger

Irak war ursprünglich britisches Protektorat, formal dann unabhängig aber immer noch unter britischer Vorherrschaft. Die Haschemiten wurden als Königsfamilie eingesetzt (dieses sunnitische Königshaus regiert heute noch in Jordanien). Es wurde aber nicht geschafft eine gemeinsame Nationalstaatlichkeit zu schaffen. Von Anfang an war der Staat multiethnisch. Im Norden waren v.a. die Kurden, im Zentralirak die sunnitischen Araber und im Süden die schiitischen Araber. Daneben gab es aber viele Minderheiten, die nicht eindeutig zuordenbar sind. Er ist aber nicht eindeutig zuordenbar und es gibt viele Übergänge. Die größte Partei war die Kommunistische Partei in den 1930er Jahren, es war die einzige Massenpartei, die ein Konzept zu einem Gesamtirak hatte. Die KP vertrat eine „iraqiness“. Der größte Gegenspieler war die Baathpartei, die arabisch-nationalistisch geprägt war und viele Kleingruppierungen umfasste, in den frühen 1940ern auch eine Sympathie mit Nazi-Deutschland. 1936 gab es einen Militärputsch, welcher das Königshaus kurz stürzte. So wurde Irak in den WWII hineingezogen, weil Großbritannien nicht wollte, dass Irak mit Deutschland gemeinsam kämpft. In diesem kurzen Machtvaakum fand der erste Pogrom gegen Juden statt, zuvor auch schon gegen Syrer im Nordirak. Es war aber noch ein Minderheitenprogramm, aber den 1950ern änderte sich dies, vor allem wegen den Vorbildern Ägypten und Syrien. Es gab aber Debatten ob es ein eigener Nationalstaat wäre oder später in einen großen arabischen Staat aufgehen sollte. Die KP und die Linke vertrat das erstere, die Nationalisten das letztere. Das Militär putschte, und die Monarchie wird endgültig abgeschafft. Es wird eine Republik geschaffen und viele Reformen gestartet. Die Linke wird aber nicht offiziell erlaubt, sie wird aber doch wieder gebraucht um die Macht der linken Militärs zu sichern.

1963 putscht die Baath-Partei mit anderen gegen ? und erstmals wieder Fang? an die Macht. Im Gegensatz zu früher, verläuft dieser Putsch äußerst blutig. Insgesamt 10.000 Kommunisten werden umgebracht, was wiederum die Bevölkerung gegen die Baath-Partei aufbringt. 1968 putscht sich aber die Baath-Partei wieder zurück an die Macht. Nun hatte die Baath-Partei gelernt, es kommt zu keiner Gewalt, ja sogar zu einer Liberalisierung. Gefangene werden entlassen, es wird versucht ein Ausgleich mit Kurden und Religion zu machen. Aber es bleibt Propaganda und durch den Kalten Krieg und der Hinwendung der Baath-Partei zur SU wird die KP in die Regierung aufgenommen. Die KP hat immer noch die Massenbasis, genau das, was der Baath-Partei fehlt. Die Baath-Partei übernimmt nun die Kontrolle der Vorfeldorganisationen der KP. In den 1970ern erscheint es dann als relativ erfolgreiches Projekt. Es erfolgt so etwas wie eine Stabilisierung, dank den Öleinnahmen, die sinnvoll investiert werden. Aber dies geschieht unter dem Preis von immer autoritären Zügen. Die Situation ändert sich mit dem 1. Golfkrieg, die gesamte Opposition wird nun endgültig ausgeschalten. Auch zuvor gab es schon Repressionen, aber ab den 1980ern ist jegliche Opposition Landesverrat. Tatsächlich gehen immer wieder, besonders kurdische Organisationen, Gruppen mit dem Iran zusammen. In der Endphase des Krieges kommt es zu einer ? Kampagne im irakischen Kurdistan. Es wurde versucht, die Zivilbevölkerung zu vernichten oder zu konzentrieren um die Guerilla den Boden zu entziehen. Man geht von 180.000 kurdischen Toten aus in den 1980ern. Teilweise wurden die Dörfer mit Giftgas ausgeräuchert. Der gewaltsame Versuch den Irak zu einem rein arabischen Staat zu machen delegitimierte den Staat. Am Ende des Irakisch-Iranischen Krieges haben eigentlich beide Staaten verloren, keiner erreichte seine Ziele. Beide lagen aber ökonomisch am Boden, der Irak hatte eine extreme Auslandsschulden, vor allem bei arabischen Staaten. De facto war der Irak zahlungsunfähig. Dies war nun auch einer der Hauptgründe warum Kuwait 1990 angegriffen wurde, weil man dort besonders viele Schulden hatte. Man rechnete nicht, dass es eine Militärintervention geben würde. Zwar wurde der Irak besiegt, es kam aber nicht zum Sturz des Regimes. Im Süden gab es viele Aufstände, diese wurden aber doch wieder zurückgedrängt. Im Norden gab es zwar eine Schutzzone, aber nach ihm nur, weil man die Flüchtlinge (100.000e) nicht in Europa haben wollte. Es gab dann das Oil-for-Food-Programme. Dies war aber sehr undurchsichtig, und das Regime redete sich dann auf die internationalen Organisationen heraus, warum die Wirtschaft so schlecht lief. In den 1990ern wurden vor allem die Paläste gebaut. Geld war da, aber es wurde immer weiter privatisiert. Auf die schlechte Lage redete man sich auf die USA und Europa aus, hinter den Kulissen wurde aber viel gebaut. Die PUK und die PKK kontrollierten den Norden, beide sehr traditionalistisch und durch Clans geprägt. Sie waren auch in die Korruption eingebunden.
Bereits in den 1990ern gab es also in allen drei Teilen informelle Ökonomien und die Struktur war durch Clans, personale Abhängigkeiten gezeichnet. Es war ein „rotten state“. Es war deshalb nicht überraschend, dass 2003 das Regime rasch zusammenbrach. Obwohl die irakische Armee einst die beste Armee der arabischen Welt war, war diese größtenteils nicht aktiv. Viele gingen einfach nach Hause. Es sah so aus, dass der Krieg also glimpflich verlaufen wäre. Aber es wurden viele Fehler begangen. Der eine Hauptfehler war vielleicht einen schlanken Krieg zu führen mit wenigen Soldaten zu führen. Der andere, dass die Armee, das letzte staatliche Element, einfach aufgelöst wurde und mit den Waffen nach Hause geschickt wurde. Trotzdem war es zunächst noch ruhig. Bis Anfang 2004 Zunahme von Anschlägen, aber primär gegen die Besatzungsgruppen. Dies änderte sich mit den Djihad-Truppen, die mehr und mehr irakische Zivilisten angriffen, gleichzeitig zogen sich die Besatzungstruppen zurück. Die Angriffe galten vor allem der Ausbildung der irakischen Demokratie. Seit Anfang 2006 verschob sich dies wiederum auf ethnisierte Gewalt. Es gab durchaus einen Aufschwung in der Zwischenzeit. Die einzigen Kräfte, die überlebten, waren die ethnische und religiöse Komponente. Alles andere ging ins Exil oder wurde ermordet. Verschärft wurde die Situation durch die Wahlen. Diese wurden zwar zunächst begrüßt, aber überall gewannen die Parteien dort, die Gebiete beherrschten. Nicht-ethnische und nicht-sektiererische Kräfte wurden so an den Rand gedrängt. Ende 2003 war der Irak bereits beängstigend von ethnisch-religiösen Kräften bestimmt. Insbesondere nach den Anschlägen 2006 auf wichtige schiitische Plätze spitzte sich die Situation zu. Lokale Machthaber rissen Kleinterritorien an sich und Kämpfe brachen aus.

Also obwohl zunächst eine Verfassung ausgearbeitet und angenommen wurde. Es gibt ein Parlament und Regierung, die sehr pluralistisch sind. Obwohl an der Oberfläche Demokratisierung, darunter starke Ethnisierung. Es wird Ethnisierung in den einzelnen Gebieten versucht, für Minderheiten ist die Position besonders prekär. Eigentlich dachte man sich 2003, dass 100.000e flüchten werden – die Zeltstädte blieben leer. Nun wo der Krieg zu Ende ist, und lokale Kleinkriege herrschen flüchten jetzt die Iraker zu hunderttausenden. Über 1 Mio. Menschen sind auch intern Vertriebene. Gewalt ist im Irak heute privatisiert. Die privaten Sicherheitsdienste verschärfen die Situation, weil ohnehin Staatlichkeit fehlt. Durch extrem hohe Zahlungen für Geiselbefreiung von Westlern wird die Gewalt angetrieben. Er fürchtet, dass die prekäre Situation für die Zivilbevölkerung auf längere Situation bleiben wird. Es kann sein, dass sich einzelne Staaten entwickeln werden.

Der Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten ist relativ plötzlich entstanden, aber es gibt historische Wurzeln.

Die Nachbarstaaten spielen alles andere als eine konstruktive Rolle. Vor allem Syrien, Türkei und Iran haben Angst vor einem Kurdistan. Andererseits wurde in den letzten Monaten bewusst, dass man keinen failed state vor der Haustür haben will.

Milizen wie die von al-Sadr sind relativ schlecht ausgerüstet.

Die Baath-Partei wandelte sich in den 1990ern von einer säkularen Partei zum Islam hin. Es gab eine Rückbesinnung, vor allem aber auf das sunnitische Element. Die Schiiten wurden als Perser defamiert.
logo

RV Krieg und Militaer

Aktuelle Beiträge

12. Einheit vom 25. Jänner...
Krieg, Militär und Geschlecht im 20. Jh. von Elfriede...
itdoesnotmatter - 25. Jan, 16:49
11. Einheit vom 18. Jänner...
Geschwächte Staaten und prekarisierte Männlichkeiten:...
itdoesnotmatter - 18. Jan, 23:00
10. Einheit vom 11. Jänner...
Der Irak zwischen Staatszerfall und nationbuilding...
itdoesnotmatter - 18. Jan, 22:56
danke für den hinweis!
danke für den hinweis!
itdoesnotmatter - 10. Jan, 01:27
Durchaus interessant,...
Durchaus interessant, eine Zusammenfassung der eigenen...
adresscomptoir - 18. Dez, 10:24

Archiv

Januar 2007
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
19
20
21
22
23
24
26
27
28
29
30
31
 
 
 
 
 
 

Suche

 

Status

Online seit 6385 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 25. Jan, 16:49

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren