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Dez
2006

8. Einheit vom 7. Dezember 2006

„Kriegerische Konflikte am Balkan“ von Vedran Dzihic

Ex-Jugoslawien ist ein sehr emotionalisiertes Feld, welches oft in der Diskussion die Fakten außen vor lässt. Dzihic versucht das Festhaltbare zu präsentieren und dann zu interpretieren. Einerseits wirft er einen Blick abseits vom Staat auf den Zusammenbruch, ein Blick auf die Mikroebene, andererseits versucht er dies auf eine theoretische Ebene zu heben.

Crashkurs der Geschichte von 1900-1990
1900 ist der Westbalkan im Besitz der Großmächte. Auslöser des 1. WK ist unmittelbar mit dem Raum verbunden, weil am 28.6.1914 Thronfolger Ferdinand in Sarajevo erschossen wird – was übrigens der am selben Tag ist wie die Schlacht am Amselfeld, am selben Tag wird 1929 die Königsdiktatur eingesetzt und am selben Tag gibt es eine Rede von Milosevic 1989 für den Krieg und am selben Tag wird Milosevic nach Den Haag geführt.

Das Königreich SHS wird gegründet, immanente Grundprobleme werden bereits dort manifestiert. Es gibt den Zentralismus der hegemonialen Serben gegenüber dem Föderalismus der Kroaten. Es gibt keine Modernisierung, das Land ist sehr durch Subsistenzwirtschaft geprägt. Der 2. WK hat enorme Bedeutung bis heute. Am 6.4.1941 beginnt der Krieg der Mittelmächte gegen Jugoslawien – ohne Grund. Das Gebiet wird aufgeteilt. NDH wird für Kroatien errichtet, welches große Verbrechen ausübt, besonders das KZ Jasenovac. Es bildet sich eine dritte Kraft heraus, die Partisanen welche auch den Krieg gewinnen. Als einziges Land in Osteuropa kann sich so Jugoslawien selbst befreien. Das Land ist nun mit marxistisch-ideologischen Grundsätzen geprägt. Es basiert nun auf einer Föderation und man ist führend in der Blockfreien Bewegung. Der Untergang von Jugoslawien mit dem Tod von Tito 1980 eingeleitet. Mit diesem Tag beginnt die Desintegration von Jugoslawien. Die Trias Armee, Polizei und Partei zerbricht. Die ökonomische Krise verstärkt sich, zunehmend gibt es Probleme mit Nationalismus. Es gibt im Land selbst krasse Unterschiede beim BIP und bei der Arbeitslosigkeit. Im Jänner 1990 findet der 14. a.o. Kongress der KP Jugoslawiens statt. Es kommt zum Auszug der Slowenen, dann auch der Kroaten. Bald darauf zerfällt das Bündnis. In der Folge finden freie Wahlen statt, die aber keineswegs zu einer richtigen Demokratie führen.

Der Balkan ist ein konstruierter Raum, der nur noch konstruierter durch den Krieg in den 1990ern wurde. Die Bilder kreierten einen vorurteilsgeladenen Blick, der voller Klischees ist. Es handle sich am Balkan um ein mit Hass erfülltes Gebiet. Besonders Robert Kaplan tut sich 1993 hervor, der in seinem Buch „Balkan Ghosts“ schreibt: „So ließe sich behaupten, dass Narzissmus eine balkanische Erfindung sei“. Die öffentliche Meinung wurde sehr stark von den Medien konstruiert. Es handelt sich um einen Krieg der Bilder.

Für die Kriegsursachen gibt es keine monokausalen Erklärungsmuster. Es ist eine Vernetzung von unterschiedlichen Faktoren wie: Machtvakuum, wirtschaftliches Chaos und Schwierigkeiten, Rivalitäten werden mythologisierend wieder aufgebaut, Ungleichheit zwischen den Regionen, Lobbying von außen für Sezession, Jugoslawien hatte nicht mehr die privilegierte Position in der Welt, der Zusammenbruch der SU, Verschuldungskrise.

Im August 1990 kommt es in der serbischen Kraina zu einer Rebellion gegen die neue Staatsmacht in Kroatien (HDZ). Dies ist der Beginn des Krieges ohne einen einzelnen Schuss. Im März 1991 setzt Milosevic (der seit 1986 in Serbien an der Macht ist) gegen Demonstranten Panzer ein. Am 16.3.1991 sagt Milosevic: „Jugoslawien ist vorbei“. Zwischen Februar und Juni 1991 finden in Kroatien die ersten bewaffneten Konflikte statt. Tudman nimmt im Mai das Vorgehen der jugoslawischen Volksarmee als offizielle Kriegerklärung auf. Zwischen 27.6. und 7./8.7. findet der 10-Tage-Krieg in Slowenien statt. Die slowenische Territorialverteidigung setzt sich zur Wehr. Es wird der Beschluss gefasst, dass sich die jugoslawische Armee zurückzieht nach Kroatien und Bosnien. Vukova und Dubrovnik werden dann massiv angegriffen und erobert. Bis heute gilt deswegen der Mythos des Opfers.

Allgemein kann der Krieg als ein Scheitern der internationalen Gemeinschaft angesehen werden. Es gab viele Versuche und Friedenspläne, was dazu führt, dass bereits 1991 die UNPROFOR eingesetzt wird. Dies passiert aber in einem völlig undurchsichtigen Konflikt, und die UN-Truppen sollten kroatische und serbische Soldaten auseinander halten. Ante Gotovina beging viele Kriegsverbrechen. Der kroatische Staat versuchte dann ungehindert diesen zu einem rein kroatischen Staat umzuändern. Am blutigsten war die Situation in Bosnien. Es bekriegten sich die SDA von Izetbegovic, die SDS von Karadzic und die HDZ. Die Serben rissen 70% des Gebietes an sich und es setzten ethnische Säuberungen ein – genauso aber auch in Kroatien. Es setzen auch Konflikte zwischen Kroaten gegen Bosniaken ein, auch Bosniaken gegen Bosniaken. Zwischen 1992-1994 kann keine Ruhe geschaffen werden. Erst Clinton kann ein Ende der Kriegshandlungen herbeiführen. Erst im Juni 1995 kommt es in Srebrenica in der Schutzzone der UN, welche erobert wird, zum Mord von ca. 8.000 muslimischen Männern und Kindern. Nun schaltet sich die NATO ein, Dayton wird ausverhandelt. Es gibt 150.000 Tode und 300.000 Verletzte.

Der letzte große Krieg findet 1999 statt. Es beginnt bereits 1996/1997 mit der Auseinandersetzung der UCK mit serbischen Truppen. 1999 kommt es dann zum Luftangriff und es folgt die Kapitulation Serbiens.

1980 weinen sowohl serbische als auch kroatische Fussballspieler als während einem Spiel der Tod von Tito bekannt gegeben wird. 1990 kommt es dann wieder zu einem Spiel zwischen einem kroatischen (Dynamo Zagreb) und einem serbischen Fussballklub (Roter Stern Belgrad). Es kommt zu Tumulten zwischen den Fans. Der kroatische Staat macht Politik daraus. Einer dieser Fans ist Akan, die Tigers waren seine Spezialeinheit, die die dreckige Arbeit machten. Er wurde zu einer heroischen Männerfigur stilisiert. Auch auf der gesellschaftlichen Ebene wurde er anerkannt, weil er mit dem Megapopstar Zeza heiratet. Am 12.10.2005 kommt es zu einem Freundschafsspiel zwischen Serbien und Bosnien. Serbische Hooligans verletzen dabei bosniakische Fans.
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